Streitschlichtung

1. Ziel der Streitschlichtung

Das Ziel der Streitschlichtung und damit Aufgabe der Streitschlichter ist es, einen Konflikt zwischen Schülerinnen und Schülern in Eigenverantwortung und ohne Gewaltanwendung zur Zufriedenheit aller zu lösen. Dabei helfen die Streitschlichter als neutrale Vermittler den streitenden Parteien in einem nach festen Regeln ablaufenden Gespräch selbstständig eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten annehmbar ist und somit am Ende die Unter­scheidung von Gewinnern und Verlierern unnötig macht. Auf diese Weise sorgen die Schlichter für eine vertrauensvolle, gewaltfreie, kooperative und faire Atmosphäre.

2. Ausbildung

Schülerinnen und Schüler des 9. Schuljahrs, die Interesse an einer Ausbildung zur Streit­schlichterin/zum Streitschlichter haben, bewerben sich für eine Teilnahme an den Ausbildungsseminaren an drei Wochenenden im 2. Halbjahr des 9. Schuljahrs. Die Terminierung der Seminare gewährleistet, dass nur ernsthaft interessierte Schüler sich bewerben. Bewerbungen werden unabhängig vom angestrebten Schulabschluss berücksichtigt. Pro Schuljahr bilden wir im Schnitt 15- 20 Schüler(innen) aus.

Die Schüler lernen hier vor allem, über die Partner- und Gruppenarbeit Konflikte als solche zu erkennen und einzuschätzen. Des weiteren lernen sie auch zwischen körperlicher und verbaler, also seelischer Gewalt, zu unterscheiden. Rollenspiele, die dieses Training begleiten, erlauben es den Schülerinnen und Schülern, in die Situationen hineinzutauchen und diese nachzuempfinden. Dabei wird auch auf das Thema Gefühle gesetzt: Wie erkennt und äußert man Gefühle und vor allem, wie erkennt man die Gefühle der anderen und wie geht man angemessen auf sie ein? Neben der Klärung der Frage, was eigentlich ein Konflikt ist, werden die Streitschlichter im wesentlichen darin geschult, Konflikte friedlich und fair zu lösen, indem sie das nach festen Regeln ablaufende Streitschlichtergespräch in Form von Rollenspielen einüben.

3. Streitschlichtung im 10. Schuljahr

Die Vorstellung der Streitschlichter erfolgt in der ersten Lehrerkonferenz im Schuljahr. Im 10. Schuljahr stehen die Streitschlichter in Teams in den Mittagspausen den 5., 6. und 7. Klässlern in der Spieleausleihe zur Verfügung, um bei der Lösung von Konflikten zu helfen. Durch die Arbeit in der Spieleausleihe wird die Kontaktaufnahme zu den Streitschlichtern für die jüngeren Schüler erleichtert. Außerdem stellen sich die Streischlichter in den 5. Klassen vor.

4. Gewaltprävention

Die Streitschlichtung trägt aus verschiedenen Gründen zur Gewaltprävention bei. Zum einen wird den Schülerinnen und Schülern der Schule eine Möglichkeit geboten, Konflikte gewaltfrei und fair mit Hilfe der Streitschlichter zu lösen. Dabei erfahren sie, dass Streit nicht nur erlaubt ist, sondern auch einen wesentlichen Bestandteil des täglichen Lebens darstellt und damit o.k ist. Und den Kindern wird klar, dass sie Kompromisse eingehen müssen, um zum sozialen Frieden in der Gruppe und damit in der Schule und im Alltag beizutragen. Außerdem erkennen die Kinder, dass Streit nicht immer von Erwachsenen, hier den Lehrerinnen und Lehrern, entschieden wird, sondern sie selbst den Ausgang des Konfliktes steuern können. Damit wird die Grundlage für ein harmonisches Sozialleben gelegt und neben der Konfliktfähigkeit die Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen gefördert. Die Streitschlichter können für sich selbst viele Dinge aus dem Unterricht und aus ihren Erfahrungen in der Streitschlichtung mitnehmen: Sie lernen nicht nur, ein Gespräch zu leiten und einen Streit zu schlichten, sondern auch Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Grundlegende Aspekte wie Zuverlässigkeit, Organisationsfähigkeit, Verschwiegenheit, Kooperations- und Teamfähigkeit, Emphatie, Toleranz und der Respekt anderen und sich selbst gegenüber, die zwingend notwendig sind für das Gelingen ihres Aufgabenfeldes, werden vertieft und erweitert. Und sie werden in die Lage versetzt, über sich selbst und über die eigenen Handlungen zu reflektieren und diese aktiv so zu beeinflussen, dass Streit sogar vermieden werden kann.

5. Ablauf der Schlichtung

  • Schlichtung einleiten (Ziel des Schlichtungsgesprächs verdeutlichen, Schritte der Schlichtung erklären, Regeln des Gesprächs verdeutlichen)
  • Sachverhalt klären und Anteile finden (Standpunkte vortragen, „spiegeln“, eigene Anteile finden, Rückmeldungen geben, zusammenfassen
    der Kernpunkte)
  • Lösungen suchen und Verständigung finden (Lösungsvorschläge sammeln, Impulse geben, Vorschläge bewerten)
  • Vereinbarungen schriftlich festhalten. (Lösung formulieren, Vertrag aufsetzen, auf Einhaltung achten)

6. Zertifikate

Am Ende der Ausbildung erhalten die Schüler ein eigens angefertigtes Zertifikat der Schule, in dem ihnen die erfolgreiche Ausbildung zum Streitschlichter bescheinigt wird. Am Ende des 10. Schuljahrs erhalten die Streitschlichter ein Zertifikat, das ihnen ihre Arbeit als Streitschlichter bescheinigt. Diese Zertifikate werden nur bei erfolgreicher Ausbildung und verantwortungsvoller Tätigkeit während des 10. Schuljahrs übergeben.

7. Gewinn für alle beteiligten Personengruppen an der Streitschlichtung

Gewinn für Schülerinnen und Schüler

Speziell für die Schülerinnen und Schüler, die einen Konflikt untereinander gelöst haben, gilt:

  • Wenn sie sich wieder begegnen, brauchen sie keine Angst mehr voreinander zu haben.
  • Keiner hat verloren. Niemand muss Gelegenheiten suchen, um Rache zu nehmen. Ihre Beziehung ist ausgewogen.
  • Beide haben erlebt, dass ein Konflikt gewaltfrei aus der Welt geschafft werden kann.
  • Sie erfahren die Verbindlichkeit von getroffenen Vereinbarungen.

Gewinn für die Schule

  • Streitende lernen, ihre eigenen Probleme zu lösen, sie müssen sich nicht auf andere verlassen. Sie werden sich eher an die Vereinbarungen halten, weil sie auf ihren eigenen Ideen beruhen.
  • Schülerinnen und Schüler müssen nicht zu Lehrern laufen, wenn ein Konflikt sie bedrückt.
  • Jüngere erhalten ein größeres Maß an Sicherheit, weil sie durch die Schlichterinnen und Schlichter Schutz und Hilfe erfahren.
  • Schüler schlagen sich seltener, sie sprechen stattdessen miteinander. Sie wissen, dass beide Seiten durch Gespräche etwas gewinnen können.
  • Sie erfahren, dass ein Konflikt auch Ausgangspunkt für neue, positive gemeinsame Erfahrungen mit dem Kontrahenten sein kann.

Gewinn für Lehrerinnen und Lehrer

  • Die Gewinne, die Schülerinnen und Schüler haben, decken sich mit den Intentionen zur Werteerziehung, vor allem der Erziehung zur Selbstständigkeit.
  • Lehrkräfte kommen dem Ziel näher, zu lehren, wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können.
  • Sie werden bei leichten und mittelschweren Konflikten zwischen Schülern entlastet.

Gewinn für die Eltern

  • Eltern erhalten durch Informationen beim Elternabend und durch Berichte ihrer Kinder ein Angebot, wie sie auch zu Hause Konflikte lösen können.
  • Eltern sind froh, dass ihr Kind in der Schule neben Sachwissen auch lernt, wie es besser mit anderen zusammenleben kann.

Gewinn für die Streitschlichter

  • Streitschlichter erwerben Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, auch außerhalb der Schule und im späteren Leben mit Konflikten gekonnt umzugehen; eine schon bestehende Neigung zu vermitteln wird professionalisiert.
  • Streitschlichter bestätigen, dass sie ein sensibleres Bewusstsein für Streitigkeiten bekommen haben und sich besser in der Lage fühlen, Streitigkeiten auch im außerschulischen Bereich zu lösen.
  • Eigenschaften, die im späteren Berufsleben eine immer größere Rolle spielen (z.B. Teamfähigkeit) werden in der Ausbildung zum Streitschlichter systematisch gefördert.
  • Ein erfolgreich abgeschlossenes Streitschlichter-Training gilt bei vielen Bewerbungen als großer Pluspunkt.
  • Die Teilnahme am Streitschlichterprogramm wird auf dem Zeugnis vermerkt.

Claudia Spies und Jirka Papenfuß